Den nachfolgenden Sachverhalt hat unser BDO-Mitglied Liliane Haase nach intensivem Studium der Fachliteratur, Gesprächen mit der Standesvertretung der Apotheker, seinem Apotheker, einer Ersatzkasse, einem Pharma-Hersteller und der Herztransplantations-Ambulanz in Kiel zusammengefasst:

Nach dem Inkrafttreten des neuen Rahmenvertrags zwischen den Krankenkassen und den Apotheken[1] kommt es leider vermehrt zu Problemen bezüglich der Medikamentenverordnungen und -abgaben. Hierbei wird zu gerne der Patient zum Spielball zwischen dem Arzt, der die Rezepte ausstellt, der Apotheke, die diese einlöst und der Krankenkasse, die im Endeffekt die verschrieben Präparate retaxiert[2] (oder eben nicht).

Dies ist für Organtransplantierte, die nun wirklich ganz andere Dinge im Kopf haben, eine nicht zu unterschätzende zusätzliche mentale Belastung.

Ein Fallbeispiel:
Um das Medikament CellCept® zur Immunsuppression als Originalpräparat zu erhalten muss durch die verschreibenden Ärzte auf der Verordnung das Kästchen “aut Idem” angekreuzt sein.

Nach dem neuen Rahmenvertrag ist die Apotheke gehalten, das günstigste Medikament abzugeben. Das heißt in der Praxis, dass der Computer in der Apotheke zwar das originale CellCept® anzeigt, jedoch als Re-Import.
Die Verpackung ist nur geringfügig von der bisher verwendeten zu unterscheiden und nur ein genauer Blick auf den gesamten Aufdruck verrät, dass es sich um einen Re-Import handelt.

Das heißt z.B.:
Hergestellt von Roche Pharma in DE
Lizenznehmer Roche Pharma
Zwischenhändler /Parallelvertrieb BB Pharma ITALIEN
Umgepackt von Pricetag BULGARIEN.

Das bedeutet, der Hersteller in Deutschland garantiert die Qualität, die Originalität und die sachgerechte Lagerung nur bis zum Parallel Vertreiber in Italien.
Was mit dem Medikament danach geschieht, ob es z.B. beim Umverpacken gegen eine Fälschung ausgetauscht wird oder nicht, ob es richtig gelagert wird oder nicht , dafür gibt es keine Garantien mehr.

Daher sagen viele Transplantationszentren bei einigen Medikamenten, keinesfalls Re-Import verwenden!

Nun kommt das Entscheidende: Das Kreuz auf dem Rezept im “aut Idem”-Feld schützt nur vor Generika, aber nicht vor Re-Importen.

Um in bestimmten Fällen kein Re-Import-Medikament zu erhalten muss durch den ausstellenden Arzt zusätzlich zwingend auf der Verordnung der Vermerk “Aus medizinischen Gründen kein Re-Import” vermerkt werden.

Nachbesserungen durch die Apotheke selber gestalten sich als problematisch.

Der Patient kann sich natürlich die Re-Importware aushändigen lassen, riskiert jedoch, ein eventuell gefälschtes oder aber durch unsachgemäße Lagerung in der Wirkung beeinträchtigtes Medikament zu erhalten, was gerade bei Immunsuppressiva aufgrund von verstärkten Schwankungen im Blutspiegel riskant sein kann.

Die Apotheke steht vor immensen wirtschaftlichen Problemen:
CellCept® “Inland” kosten 150 Tabletten zu 500 mg 562, 22 €.
CellCept® Re-Import BB Pharma 259 €.

Gibt der Apotheker nun, trotz des fehlenden Verweises auf keinen Re-Import auf dem Rezept, das “Inland” Produkt ab, so zahlt er mit seiner Apotheke am Ende des Jahres die Differenz zwischen € 562,22 und € 259,00 selber und muss sich, wenn er nicht pleitegehen will, das Geld vom Patienten wieder holen.
Es gibt auch einige Ersatzkassen (nicht alle), die in solchen Fällen noch nicht einmal dann das günstigere Medikament bezahlen, sondern eine sogenannte “Null Retaxierung” vornehmen. Das heißt, die Apotheke bleibt komplett auf den Kosten sitzen.

Diese Tatsache ist leider nicht bei allen Ärzten oder Transplantationszentren bekannt. Müssen Organtransplantierte selbst prüfen, ob das Rezept korrekt ausgestellt wurde.

Ausdrücklich möchte ich betonen, dass dies keinesfalls bedeutet, Re-Importe würden grundsätzlich aus Fälschungen bestehen.
Es soll lediglich auf eventuelle Risiken und Haftungsausschlüsse, sowie Empfehlungen von diversen Transplantationszentren, den Auflagen der Apotheken nebst den Vermerken, die auf den Verordnungen erfolgen sollten, speziell bei Immunsuppressiva hingewiesen werden.

Bitte achten Sie also auf sich und Ihre Verordnungen.

Unabhängig vom möglichen ärztlichen Vermerk können Apotheken jederzeit pharmazeutische Bedenken[3] geltend machen, um das Originalmedikament abzugeben ohne eine Retaxierung befürchten zu müssen. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Apotheken (Stichwort Apothekensterben) wird manche Apotheke diese Möglichkeit nicht nutzen. Dann benötigen Sie den genannten ärztlichen Vermerk.


[1] Vertragstext und Erläuterungen zum seit 1. Juli 2019 gültigen Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V: https://www.deutschesapothekenportal.de/rezept-retax/dap-retax-arbeitshilfen/neuer-rahmenvertrag-ab-1-juli-2019/

[2] Erklärung zu Retaxierung / Retaxation: https://www.deutschesapothekenportal.de/rezept-retax/dap-lexikon/retaxierungretaxation/

[3] https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2015/daz-31-2015/nachahmerpraeparate-auf-dem-pruefstand