Der Bundesverband der Organtransplantierten e.V. begrüßt die im Gesetzentwurf vorgesehenen strukturellen Verbesserungen im Organspendeprozess.

An dieser Stelle möchten wir nur einige Punkte der geplanten Änderungen hervorheben:

1. Verbindliche Freistellung der Transplantationsbeauftragten und deren Finanzierung
Diese wurde u.a. auch von unserem Verband seit mehreren Jahren gefordert. Die verbindliche und bundeseinheitliche Freistellungsregelung der
Transplantationsbeauftragten (TxBs) für ihre zahlreichen Aufgaben in der Organspende undder dazu erforderlichen krankenhausinternen Kommunikation ist ein wesentlicher Baustein zur Verbesserung der Rahmenbedingungen der Organspender-Erkennung und –Meldung. Wichtig ist hierbei auch die vorgesehene Finanzierung der Freistellungsregelung. Auch die geplanten Details hinsichtlich der Benennung und Freistellung von TxBs in den verschiedenen Entnahmekrankenhäusern (z.B., mindestens ein TxB pro Intensivstation, mindestens eine Vollzeitstelle pro Transplantationszentrum, Vertretungsregelung für die TxBs) finden unsere ungeteilte Zustimmung. Ebenso halten wir die Regelung der Finanzierung und Freistellung für die fachspezifische Fort- und Weiterbildung der Transplantationsbeauftragten im Sinne der Motivation für die Tätigkeit als TxB für wesentlich und unerlässlich.

2. Höhere Vergütung der Entnahmekrankenhäuser
Die geplante Regelung der ausdifferenzierten Vergütung von Organentnahmen in den Krankenhäusern dürfte die Zurückhaltung vieler Entnahmekrankenhäuser bei der Erkennung und Meldung möglicher Organspender deutlich senken. Diese Form der Finanzierung von Organspenden halten wir für gerechtfertigt, da viele Krankenhäuser wirtschaftlich belastet sind und finanzielle Belastungen durch die Organspende gegenüber den Entnahmekrankenhäusern refinanziert werden müssen.

3. Einrichtung einer Qualitätssicherung in den Entnahmekrankenhäusern mit flächendeckender Berichtspflicht
Analysen des Potentials an Organspendern durch die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) in der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Zahl der Organspender prinzipiell deutlich höher ist als die Zahl der tatsächlich gemeldeten Organspender. Zuletzt konnte in einer bundesweiten Sekundärdatenanalyse aller vollstationären Behandlungsfälle gezeigt werden, dass das Potential an möglichen Organspendern in den letzten Jahren gestiegen ist (veröffentlicht im Deutschen Ärzteblatt, Jg. 113, Heft 27–28 vom 9. Juli 2018). Daher ist es absolut notwendig, dass ein bundesweit einheitliches und flächendeckendes Berichtssystem (möglicherweise auf Basis von Transplant Check) zur Analyse aller Todesfälle nach primärer und sekundärer Hirnschädigung installiert wird, um anschließend für jedes Krankenhaus individuell die Gründe für eine nicht erfolgte Feststellung oder nicht erfolgte Meldung nach § 9a Absatz 2 Nr. 1 und andere der Organentnahme entgegenstehende Gründe auszuwerten. Dass die Auswertung durch die zuständigen Transplantationsbeauftragen erfolgt und die Daten anonymisiert an die DSO weitergeleitet und in einem zu veröffentlichenden Bericht bundesweit zusammengefasst wird, halten wir für sachgerecht und hinsichtlich einer erweiterten Transparenz für sinnvoll. Die krankenhausintern gesammelten Daten können für die Schulung u.a. der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Intensivstationen genutzt werden. Zugleich gibt es sowohl den zuständigen Landesbehörden als auch der DSO die Möglichkeit eventuell notwendigen individuellen Unterstützungsbedarf in einem bestimmten Entnahmekrankenhaus zu identifizieren und entsprechend zu handeln.

4. Rechtliche Grundlage für die Angehörigenbetreuung
Als Selbsthilfeverband, der sowohl die Situation der Organempfänger und ihrer Familien als auch der Familien von Organspendern kennt, sind wir froh, dass mit der Gesetzesänderung wieder die Möglichkeit geschaffen werden soll, dass Briefe von Organempfänger in anonymisierter Form an „ihre“ Spenderfamilie (und ggf. Antwortschreiben) durch die DSO weitergeleitet werden dürfen, wenn dies gewünscht wird. Allerdings sind wir besorgt, dass die Anforderung an die Schreiberin bzw. den Schreiber die Briefe so zu erstellen, dass die juristischen und datenschutzrechtlichen Anforderungen an die
Anonymität gewahrt sind, unter Umständen in der Praxis zu Problem führen kann. Das würde entweder bedeuten, dass die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) Dankesbriefe mit vermeintlich nicht durchgängiger formaler Wahrung der Anonymität nicht weiterleiten dürfte und schreddern müsste, oder jedes Mal die Schreiberin bzw. den Schreiber bitten müsste, einen neuen Brief zu schreiben. Da es sich in aller Regel um handschriftlich verfasste Dankesbriefe handelt, die meist in einer besonderen Atmosphäre und mit einer besonderen Emotionalität formuliert werden, ist die Bitte um eine neue Fassung eher eine Zumutung. Dies könnte zu Frustration auf allen Seiten führen. Zusätzlich würde die jeweilige Spenderfamilie so oder so leer ausgehen, was für diese aus unserer Sicht einen vermeidbaren Schaden darstellt. Wir bitten daher um eine praktikablere Lösung, z.B. dadurch, dass unter solche in Bezug auf die Beachtung der Vorgaben zur Anonymität kritischen Passagen durch die DSO unkenntlich gemacht werden dürfen.
Nach unseren langjährigen Erfahrungen gibt es auf der Empfängerseite den Wunsch sich für die empfangene Organspende den tiefempfundenen Dank gegenüber der Angehörigen der Organspenderin bzw. des Organspenders auszudrücken. Ebenso wissen wir, dass es für die meisten Spenderangehörigen wichtig ist, einen Dankesbrief von den betreffenden Organempfängern zu erhalten. Häufig ist ein solcher Brief eine Bestätigung der Entscheidung zur Organspende, die entweder der verstorbene Angehörige getroffen hat oder stellvertretend durch die Angehörigen erfolgte. Angehörige von Organspendern, die auch Jahre nach der Organspende ihres verstorbenen Angehörigen stabil zur Entscheidung für die Organspende leben können, sind wichtige Multiplikatoren für die Organspende. Für beide Seiten (Empfänger und Spenderangehörige) kann ein Dankesbrief ein bedeutender Teil der Verarbeitung des Erlebten im Rahmen einer Organtransplantation bzw. einer Organspende darstellen. Dass insgesamt die Betreuung von Spenderangehörigen, die die DSO seit langem bietet, nun Eingang ins Transplantationsgesetz erhalten soll, unterstützen wir. Dadurch wird die Bedeutung der Angehörigen der Organspender im Prozess gewürdigt. Außerdem erhält die DSO dadurch Rechtssicherheit und eine langfristige Arbeitsgrundlage für die Angehörigenbetreuung.

5. Evaluierung der Gesetzesänderungen
Die geplante Überprüfung fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes inwieweit die durch die Gesetzesänderungen getroffenen Maßnahmen die in sie gesetzten Ziele erreicht haben, halten wir für absolut richtig und notwendig.

6. Anteil der Privaten Krankenversicherung an der Finanzierung
Im Gesetzentwurf ist verschiedentlich (z.B. unter Nummer 3: Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand, s. S. 19 oben) von einem Anteil der Privaten Krankenversicherung an der Finanzierung von 7 Prozent die Rede. Aus dem Bereich der Qualitätssicherung ist uns jedoch ein Anteil der privat versicherten Patienten vor und nach Organtransplantation von ca. 10 Prozent bekannt. Daher vertreten wir die Auffassung, dass sich die Private Versicherungswirtschaft
entsprechend diesem Anteil an der Finanzierung der Kosten beteiligen sollte.

7. Ergänzung in § 9b, Absatz 1, Satz 6, Nr. 2
Da zunehmend elektronische Krankenhaussysteme mit elektronischer Patientenakte verbreitet sind, sollte das Gesetz sicherstellen, dass die Transplantationsbeauftragten uneingeschränkten Zugang dazu haben, wenn es für die Erkennung von möglichen Organspendern erforderlich ist.
Auch die anderen vorgesehenen Änderungen halten wir für notwendig und sinnvoll. Im Rahmen der geplanten Gesetzesänderung regen wir die Berücksichtigung des folgenden Punktes an, der uns als Selbsthilfeverband aufgrund unserer Erfahrungen in der Betreuungsarbeit von Transplantationsbetroffenen schon länger eine Herzensangelegenheit ist:
Ergänzung im § 10, Absatz 2, Nr. 7 TPG
Hier heißt es: „Die Transplantationszentren sind verpflichtet vor und nach einer Organübertragung Maßnahmen für eine erforderliche psychische
Betreuung der Patienten im Krankenhaus sicherzustellen …“ Aufgrund unserer mehr als 32-jährigen Erfahrung in der Betreuung von Patientinnen und
Patienten vor und nach einer Organtransplantation wissen wir, wie bedeutsam die Unterstützung der Angehörigen während der Evaluationsphase zur Aufnahme in die Warteliste, während der Wartezeit und auch nach einer Transplantation für die PatientInnen ist. So spielt oft genug das soziale Umfeld eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, ob jemand in die Warteliste genommen werden kann. Alle drei genannten Phasen sind aber auch für die unmittelbaren Angehörigen von erheblichen psychischen Belastungen geprägt. Daher sehen wir die Notwendigkeit, dass § 10, Absatz 2, Nr. 7 TPG ergänzt wird und zwar: „vor und nach einer Organübertragung Maßnahmen für eine erforderliche psychische Betreuung der Patienten und ihrer unmittelbaren Angehörigen im Krankenhaus sicherzustellen“ Mit unmittelbaren Angehörigen sind vorwiegend im selben Haushalt lebende Angehörige gemeint. Bei alleinlebenden PatientInnen sollen auch andere Angehörige eingeschlossen sein, wenn diese sich um die Patientin bzw. den Patienten kümmern. Eine bundesweite Studie zu psychischen Belastungen von Angehörigen von Patientinnen und Patienten vor und nach Organtransplantation, die der BDO mit Unterstützung u.a. der Medizinischen Fakultät des Saarlandes Homburg/Saar und der Universitätsmedizin Charité, Berlin, Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation unter seinen Mitgliedern durchgeführt hat, ergab u.a. folgende psychische Belastungen und Risikofaktoren für psychische Erkrankungen bei den Angehörigen:
Posttraumatisches Belastungssyndrom (PTBS): 6,3 %
Major Depression: 9,2 %
Generelle depressive Symptome: 14,1 %
Schwere Angstsymptomatik: 7,2 %
Generalisierte Angstsymptome: 16,9 %
Symptome einer Anpassungsstörung nach ICD-11: 17,1 %

Die Werte für die Angehörigen lagen in fast allen Bereichen über denen der Patientinnen und Patienten. Die Daten zeigen, dass die psychische Belastung und Morbidität bei Angehörigen von Organtransplantierten deutlich erhöht sind. Häufigstes Störungsbild war die Anpassungsstörung nach ICD-11. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass die Angehörigen von Transplantationspatienten einen hohen Unterstützungsbedarf haben und bei der psychischen Betreuung der Patienten während des stationären Aufenthalts und während der regelmäßigen Nachsorgeterminen in den Transplantationsambulanzen mitberücksichtigt werden sollten. Dies wird auch durch die Antworten auf die Frage nach dem aktuellen Wunsch nach psychologischer Unterstützung bestätigt. Danach äußerten 24,2 % diesen Wunsch zum Zeitpunkt der Umfrage im Juni und Juli 2018.

51 % der Angehörigen wünschen sich bei Bedarf psychologische Unterstützung. Bei den Ergebnissen der Studie ist zu beachten, dass u.a. Eltern von betroffenen Kindern unter 16 Jahren von der Umfrage ausgeschlossen waren, da nicht zu erwarten war, dass von den Kindern Fragebögen ausgefüllt werden, und somit kein Zusammenhang zwischen dem Befinden der Kinder und den psychischen Belastungen der Eltern herzustellen sein würde. Dennoch ist davon auszugehen, dass die psychischen Belastungen von Eltern vor allem während der Wartezeit und bei einem problematischen Verlauf nach der Transplantation besonders hoch und daher der Bedarf an psychosozialer Versorgung gravierend ist. Die Finanzierung der psychosozialen Versorgung von Patientinnen und Patienten vor und nach Organtransplantation sowie ihrer unmittelbaren Angehörigen in den Transplantationszentren muss durch eine entsprechende Anhebung der Transplantationspauschalen gewährleistet werden. So soll verhindert werden, dass aufgrund von widersprüchlichen Auffassungen zwischen Kostenträgern und dem einzelnen Transplantationszentrum, was nun in der Pauschale enthalten ist, die psychosoziale Versorgung und damit die Betroffenen auf der Strecke bleiben. Es ist bekannt, dass psychosoziale Belastungen den Heilungs- bzw. den Unterstützungsprozess verlängern bzw. behindern können, wenn sie nicht entsprechend behandelt werden.

Anpassung einer Formulierung im § 10, Absatz 2, Nr. 7 TPG

Hier wird von „psychischer Betreuung“ gesprochen. Fachlich treffender sollte es „psychosozialer Versorgung“ heißen. In Kürze wird mit der Erarbeitung einer S3-Leitlinie unter dem Titel „Psychosoziale Diagnostik und Behandlung von Patienten vor und nach Organtransplantation“ begonnen, an der auch
der BDO beteiligt ist. Dabei werden die Angehörigen dieser Betroffenen in der Leitlinie berücksichtigt werden.