Am 11. September 2018 lud die BDO-Regionalgruppe Gießen-Bad Nauheim zu ihrem 44. Informationsstammtisch in den UKGM-Standort Gießen ein.

Dieses Mal referierte der Chirurg Dr. Andreas Hecker vom Uniklinikum Gießen über das Thema „Transplantation-Vom Spender zum Empfänger“. Mit seiner lockeren Art brachte er dieses doch eher schwierige Thema interessant und gut verständlich rüber.

Dr. Hecker begann seinen Vortrag mit einem kurzen Einblick auf die Organisation, die hinter Organspenden abläuft. Die Transplantationszentren melden ihre Patienten, die auf der Warteliste für ein Organ stehen, bei Eurotransplant in Leiden. Wird dann dort ein Spender gemeldet, sucht man den passenden Wartepatienten und gibt die Information an das Transplantationszentrum weiter. In Deutschland kümmert sich die DSO (Deutsche Stiftung Organtransplantation) um den gesamten Ablauf der Organspende. Sie teilt mit, wenn ein Patient in einem Krankenhaus oder einer Klinik als Spender infrage kommt und organisiert die Übergabe der Organe an die Transplantationszentren.

Todesursachen von Spendern

Als nächstes berichtete Dr. Hecker über Todesursachen von Spendern und wie eine Organentnahme abläuft.

Die häufigsten Todesursachen, die potentielle Organspender betreffen, sind Intrakranielle Blutungen (Hirnblutungen), Ischämisch-hypoxische Hirnschäden (Sauerstoffmangel im Gehirn), Schädelhirntraumata, Hirninfarkte und andere Hirnschäden.

Ablauf einer Organentnahme und Ischämiezeit

An einer Organentnahme (Explantation) ist ein großes Team verschiedener Ärzte beteiligt, darunter ein regionales Team und zwei von auswärts kommende, die Herz und Lunge untersuchen und gegebenenfalls explantieren und mitnehmen.

Außerdem kümmert sich ein Anästhesist um die Stabilisierung des Spenders, da die Kreislaufsituation in diesem Zustand oft nicht mehr sehr gut ist. Einem einzigen Spender können bis zu sieben Organe entnommen werden, außerdem Gewebe und Gefäße.

Zuerst wird der Patient perforiert. Dabei wird in die Aorta ein großer Schlauch gelegt, um das Blut aus dem Körper zu ziehen. Die Organe müssen blutleer sein, damit dieses nicht in ihnen gerinnt. Dabei entfärben sie sich und erhalten eine weißlich-rosa Färbung. Danach wird eine Nährlösung in den Körper gegeben, die die Zellen versorgt.

Die Ischämiezeit (ohne dauerhaften Gewebeschaden tolerierte Zeitspanne) der Organe ist sehr unterschiedlich:

Herz 4 Stunden
Lunge 6-8 Stunden
Leber 12 Stunden
Leber und Pankreas 12 Stunden
Nieren < 24 Stunden
Gewebe/Gefäße 6-8 Stunden

Die komplexeste Entnahme ist die der Bauchspeicheldrüse. Standard, also eine leichtere OP, ist die der Leber. Diese wird manchmal geteilt, um an zwei Spender vergeben zu werden. Bei der Niere kann es zu Problemen kommen, da Gefäße wegen der Entfärbung übersehen werden können, was dann zu Schwierigkeiten bei der Implantation führen kann. Ein anderes Problem können verkalkte Gefäße bei älteren Spendern sein.

Lungenexplantation und Kriterien für den Spender

Der nächste Teil des Vortrages drehte sich um das Thema Lungenexplantation und mit welchen Methoden man versucht, der Organknappheit entgegenzuwirken.

Für die Lunge kommt ein Team aus dem Krankenhaus des Empfängers, um diese zu untersuchen und gegebenenfalls mitzunehmen. Die Entnahme dauert bis zu 45 Minuten. Da es schnell gehen muss, wird in dieser Zeit der Empfänger schon auf die OP vorbereitet. Es kann jedoch passieren, dass das Organ nicht geeignet ist und keine Transplantation stattfinden kann. Daher wird der Patient erst in Narkose gelegt, wenn die Lunge den OP erreicht hat.

Die Untersuchungen und Kriterien, um eine Lunge entnehmen zu können, sind die Feststellung der Identität des Spenders, seine Blutgruppe und Einwilligung zur Spende, das Hirntodprotokoll, Vorerkrankungen, Vor-OPs, Untersuchungen wie Röntgen, BGA (Horovitz-Index= Beurteilung der Fähigkeit der Lunge, das durch sie hindurchlaufende Blut mit Sauerstoff aufzusättigen; kann mittels Blutgasanalyse gemessen werden) und eine Bronchoskopie.

Vor Ort wird entschieden, ob eine Lunge für den wartenden Empfänger infrage kommt oder nicht.

Der ideale Spender ist unter 55 Jahre alt, kein Raucher, mit einem Horovitz-Index von >300.

Leider gibt es aus verschiedenen Gründen zu wenige Spender in Deutschland, welches europaweit auf dem vorletzten Platz bei Organspenden liegt (Spanien liegt auf Platz 1).

Problematisch sind auch die kostenintensiven Entnahmen von Lunge und Herz, da dafür die Teams extra rausfliegen müssen, um die Organe zu begutachten und zu entnehmen.

Lösungsalternativen wegen Organknappheit

Bei den Nieren konnte man mit dem Old-for-old-Programm gute Erfolge erzielen und auch bei Lungen hat man seit einiger Zeit die Grenze von 65 Jahren für Spender erhöht und die Feststellung gemacht, dass die Lungen älterer Spender nicht schlechter sein müssen, als die jüngerer. Auch hier sind bestimmte Kriterien wichtig: Nichtraucher seit mindestens 10 bis 20 Jahren, vorher nicht lange beatmet gewesen und keine Anzeichen von Schäden an der Lunge.

Eine andere Möglichkeit, die heutzutage genutzt wird (seit ca. drei bis vier Jahren auch in Gießen), ist der Einsatz des Ex-vivo-Gerätes (ex-vivo-lung-perfusion=EVLP).

Lungen von älteren Spendern oder in schlechtem Zustand können in diesem Gerät sechs bis acht Stunden beobachtet und sogar behandelt werden. Sie können z.B. entwässert werden, Antibiotika bekommen und schlechte Lungenlappen können sogar entfernt werden.

Zwei von drei Lungen erholen sich in diesem Gerät und sind dadurch besser für eine Spende geeignet. Allerdings sind die Möglichkeiten durch die kurze Zeitspanne auch begrenzt, z.B. können Lungenentzündungen nicht behandelt werden, sodass diese Lungen dann nicht verwendet werden.

Da der Einsatz der Maschine sehr teuer ist, wird sie nur in bestimmten Fällen verwendet. Bei Studien zeigte sich jedoch, dass auch Lungen in gutem Zustand von der Behandlung in der Maschine profitiert haben.

Vor ein paar Jahren wurde zudem der LAS-Score eingeführt, der sich nach Dringlichkeit und Erfolgsaussicht richtet und dabei die Wartezeit vernachlässigt. Dies soll u.a. dazu führen, dass weniger Menschen auf der Warteliste sterben.

Lungentransplantation

Im letzten Teil seines Vortrages berichtete Dr. Hecker über die Lungentransplantation.

Er erzählte, dass es bei der Lungentransplantation zwei Schnittmöglichkeiten gibt. Bei der einen wird das Brustbein durchtrennt, was den Vorteil der besseren Sicht hat, aber den Nachteil der schlechteren Heilung.

Heutzutage wird der Einsatz durch zwei seitliche kleinere Narben bevorzugt. Diese Methode wurde schon bei der ersten je durchgeführten Lungentransplantation angewendet.

Bei bestimmten Erkrankungen, z.B. Pulmonaler Hypertonie, oder bei einem Notfall, kann auf den Brustbeinschnitt zurückgegriffen werden.

Bei den Überlebensraten von Transplantierten hat es in den letzten Jahren Fortschritte gegeben. Allerdings ist sie bei der Lunge, die im Gegensatz zu anderen Organen mit der Außenwelt in Kontakt steht, noch etwas schlechter, als bei anderen Organen. Die häufigsten Todesursachen weltweit sind akute Abstoßung (3%; in Gießen bisher niemand), technische Fehler (11%; in Gießen bisher keiner), und BOS (Bronchiolitis obliterans syndrome; Zahlen in Gießen sind gut, wegen der strengen und engmaschigen Kontrollen).

Bisher kam es in Gießen noch zu keiner Re-Transplantation, weil es nicht nötig war bzw. die Patienten (zwei bis drei) dann nach Hannover geschickt wurden, da sie dort mehr Erfahrung mit dieser Thematik haben.

In Gießen wurden vor zehn Jahren noch drei bis fünf Lungen pro Jahr transplantiert. Mittlerweile ist diese OP mit 16 bis 17 Transplantationen pro Jahr schon zur Routine geworden und das Team sehr gut eingespielt.

Prof. Dr. Padberg, Direktor der Abteilung Chirurgie des Uniklinikums Gießen, nimmt selbst 80% aller Transplantationen vor und arbeitet sehr schnell.

Am Ende des informativen Vortrags bedankte sich Rüdiger Volke bei Dr. Hecker und lud alle Anwesenden zum altbewährten Babbeltreff in die Cafeteria ein, wo der Nachmittag mit nettem Austausch ausklang.

Andrea Dorzweiler