Am 12. Juni lud die BDO-Regionalgruppe Mittelhessen (Gießen-Bad Nauheim) zu einem erneuten Arzt-Patienten-TX-Stammtisch in den UKGM-Standort Gießen ein.

Zu dem Thema „Osteoporose nach TX“ begrüßte Rüdiger Volke die beiden Fachärzte Herrn OA Dr. Christoph Biehl und Herrn Dr. Gero Knapp von der Unfall-, Hand-und Wiederholungschirurgie, die sich als Referenten zur Verfügung gestellt hatten.

Knochenumbauzyklus, Knochenaufbau und – abbau

Dr. Knapp begann seinen Teil des Vortrages mit einem Einblick in den Patho-Physiologischen Knochenaufbau und beschrieb den Knochenumbauzyklus.

Knochen sind eine lebendige Substanz, die sich ständig im Auf-und Abbau befindet. An diesem Prozess sind Knochenaufbauzellen, die Osteoblasten und Knochenabbauzellen, die Osteoklasten, beteiligt. Da Knochen zu zwei Dritteln aus Mineralsalzen bestehen, spielen auch diese, z.B. Calcium, eine wichtige Rolle, sowie Hormone, u.a. Östrogen, Testosteron, Parathormon und Kalzitonin. Letzteres wird aktiviert, wenn der Calciumspiegel im Blut unter einen bestimmten Wert sinkt. Daraufhin lösen Osteoklasten Calcium aus den Knochen, um es ins Blut abzugeben. Auf diese Weise kommt es zum Knochenabbau. Um einen Ausgleich wiederherzustellen, muss der Körper aus dem Darm Calcium beziehen, wobei bei der Aufnahme von Calcium das Vitamin D eine wichtige Rolle spielt. Um einen übermäßigen Abbau von der Calciumsubstanz zu verhindern, schaltet sich das Hormon Kalzitonin ein, welches die Tätigkeit der Osteoklasten abbremst.

Im Laufe von 7 bis 10 Jahren wird die gesamte Knochenmasse eines Menschen komplett abgebaut und wieder neu aufgebaut.

Osteoporose, allgemeine Informationen

Nach diesem allgemeinen Überblick ging Dr. Knapp auf die Osteoporose ein.

Alleine in Deutschland sind 7,8 Millionen Fälle bekannt, aufgeteilt auf 6,5 Millionen Frauen

und 1,3 Millionen Männer. Weltweit sind es rund 200 Millionen Fälle, davon 9 Millionen Fragilitätsfrakturen (Frakturen bereits bei/nach geringer Belastung).

Wegen der Osteoporose fallen in Deutschland jährlich 5,4 Milliarden Euro Kosten an, überwiegend für die Behandlung von Frakturen. Nur 15% dieses Betrags fällt als Kosten für Präventionsmedikamente an.

Bei Osteoporose handelt es sich um eine systemische Erkrankung des Skeletts, die eine erniedrigte Knochenmasse, eine Verschlechterung der Mikroarchitektur des Knochens und eine zunehmende Brüchigkeit und gehäuftes Auftreten von Frakturen bedeutet. Die Erkrankung wird in eine Primäre (Auftreten ohne erkennbare Ursache, meist im höheren Lebensalter) und Sekundäre (Begleiterkrankung bei anderen Krankheiten) Form unterteilt.

Im Alter nimmt die Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung an Osteoporose zu.

Bei einer osteoporotischen Wirbelsäule kann es aus verschiedenen Gründen zu Schmerzen kommen.

Akutschmerz, Sinterungsschmerz (Schmerzen durch einen gebrochenen Wirbelkörper), Schmerzen durch Brüche
Schmerz durch Fehlstellung und Fehlhaltung
Belastungsschmerz
Die Wahrscheinlichkeit für Knochenbrüche erhöht sich, wenn dies schon einmal vorgefallen ist. Nach der 1. Fraktur besteht ein 5-fach erhöhtes Risiko für einen erneuten Bruch und nach der 2. sogar ein 9-faches.

Leider werden nur 30% der Wirbelkörperfrakturen klinisch diagnostiziert, 25% dieser entdeckten Frakturen müssen sogar stationär behandelt werden.

Eine Osteoporose führt zu einer erhöhten Invalidität und Sterblichkeit.

Osteoporoserisiko nach Organtransplantation

Nach diesem Einblick stellte Dr. Knapp das Thema Osteoporose im Hinblick auf die verschiedenen Organtransplantationen dar.

Allgemein kann man sagen, dass vor allem die Immunsuppressiva Cyclosporin und Cortison zu einer Osteoporose führen können, die einen unterschiedlichen Einfluss auf den Knochenstoffwechsel haben. Es gibt allerdings Unterschiede in den Empfehlungen für das Management in der Prä-und Posttransplantationszeit.

Nierentransplantierte haben ein besonderes Risiko, nach einer Transplantation an Osteoporose zu erkranken, da die Nieren wichtige Aufgaben im Knochenstoffwechsel erfüllen. Aktives Vitamin D3 wird durch ein bestimmtes Enzym in der Niere gebildet. Ist die Funktion der Niere gestört, nimmt die Konzentration des Enzyms ab und die Menge an Vitamin D geht zurück. Dies führt dann zu einem Abfall des Calcium-und Phosphatspiegels, was zur Folge hat, dass die Nebenschilddrüse ein Hormon ausschüttet, welches diese Stoffe aus den Knochen mobilisiert. So kommt es dann zu einer Osteoporose. Besonders betroffen davon sind dialysepflichtige Patienten.

In den ersten 6 Monaten nach einer Nierentransplantation ist der Verlust an Knochendichte am höchsten. Diese wieder aufzubauen, ist schwierig.

Nach einer Herztransplantation ist es eher unklar, warum es zu einer Osteoporose kommt. Es sind wohl vor allem die Medikamente, die dazu beitragen. Auch hier gibt es in den ersten 6 Monaten den höchsten Verlust an Knochendichte.

Nach einer Lungentransplantation spielen schon durch die verschiedenen Erkrankungen viele Einflussfaktoren eine Rolle, z.B. Nikotin, Mangelernährung, Hypoxie (Sauerstoffmangel) und mangelnde Bewegung. Auch die Medikamente, welche aufgrund der Erkrankungen genommen werden müssen, können bereits den Knochen angreifen. Nach einer Transplantation ist das Frakturrisiko in den ersten 6 Monaten erhöht.

Auch Lebertransplantierte haben schon im Vorfeld einer Transplantation ein erhöhtes Osteoporoserisiko und auch hier ist das Risiko für Knochenabbau in den ersten 6 Monaten erhöht.

Es ist daher ratsam, schon vor einer Transplantation das Augenmerk auf die Knochendichte zu legen und gegebenenfalls präventive Schritte einzuleiten.

Prävention durch Ernährung und Bewegung

Nun übernahm Dr. Biehl das Wort und sprach über das Thema Prävention. Laut einer Studie kommt es nicht darauf an, sich beim Sport zu verausgaben, sondern sich regelmäßig zu bewegen.

So können tägliche Spaziergänge und Gartenarbeit schon sehr viel für die Knochengesundheit beitragen. Es ist besser, fünfmal pro Woche 2 km zu gehen, als einmal in der Woche 20 km zu joggen.

Allerdings kann auch ein leichtes Training für schwer Erkrankte, die ein Training benötigen würden, schon zu anstrengend sein. Dann muss der Patient schauen, wie er Bewegung in den Alltag integrieren kann.

Neben Muskelaufbautraining ist auch Koordinationstraining, gerade für ältere und schon durch Osteoporose in ihrer Haltung geschädigte Menschen, wichtig, um Folgefrakturen durch Stürze zu verhindern. Tai Chi oder Chi Gong können beispielsweise ein hilfreiches und sanftes Training darstellen.

Auch die Ernährung und das Zuführen bestimmter Vitamine und Mineralstoffe spielt eine wichtige Rolle. Ein Gesunder hat einen Tagesumsatz von ca. 1000 bis 1200 mg Calcium. Bekommt er dieses nicht zugeführt, holt der Körper es sich aus den Knochen, was zu einem verstärkten Knochenabbau führt. Einige Frauen benötigen sogar bis zu 3,5 mg Calcium pro Tag, aufgrund des Absinkens des Östrogenspiegels. Bei ihnen kann es zu Haltungsschäden kommen und zu einem Größenverlust von bis zu 14 cm.

Calcium ist in den verschiedenen Mineralwassern in unterschiedlicher Menge enthalten, außerdem in Milch und Milchprodukten, aber auch in anderen Lebensmitteln, z.B. grünem Gemüse, Obst und Getreideprodukten.

Eine medikamentöse Einnahme kann des weiteren notwendig sein.

Insgesamt sollte aber darauf geachtet werden, nicht zu viel von diesem Mineralstoff zu sich zu nehmen, da dies die Bildung von Nierensteinen begünstigen kann.

Basisdiagnostik

Die Basisdiagnostik stellt sich folgendermaßen dar.

Zuerst wird ein Risikoprofil erstellt: Frauen erkranken häufiger und früher als Männer, Untergewicht und Lebensumstände spielen eine Rolle und die Frage, ob,wo und wie oft eine Fraktur aufgetreten ist.

Bei einem erhöhten Frakturrisiko läuft die Behandlung dann wie folgt ab:

Zunächst wird eine Anamnese und danach ein klinisches Profil erstellt. Die Wirbelsäule wird bei einem Verdacht auf eine Fraktur geröntgt und ein Basislabor zum Ausschluss einer sekundären Osteoporose durchgeführt. Eine wichtige Untersuchung ist die Osteodensitometrie (Knochendichtemessung).

Bei dieser wird der Dichtewert der gemessenen Person mit den Werten eines „normalen“ jungen Erwachsenen verglichen.

Der ausgemessene T-Score wird folgendermaßen bewertet:

-1 SD :  Normal
-1 bis -2,5 SD: Osteopenie (Vorstufe der Osteoporose, die Knochen werden weicher; sollte im Auge behalten werden, Calcium und Vitamin D-Gabe und alle 1 bis 2 Jahre eine Knochendichtemessung)
< -2,5 SD: Osteoporose (messtechnisch)
mit Fraktur: Osteoporose (manifest)

Therapeutische Maßnahmen

Therapeutische Substanzen, die Einfluss auf den Knochenumbau und die Knochenmasse haben, sind, neben Calcium und Vitamin D, auch Osteoblastenstimulatoren und Osteoklastenhemmer.

Vitamin D wird in den Nieren gebildet und durch Sonneneinstrahlung aktiviert. Dafür reicht es schon, eine halbe Stunde täglich das Gesicht und die Unterarme unbedeckt der Sonne auszusetzen. Transplantierte, die sich wegen der Hautkrebsgefahr besonders schützen müssen, sollten sich laut Dr. Biehl einfach länger im Schatten aufhalten. Die Fähigkeit zur Vitamin D-Bildung lässt allerdings im Alter nach und das Zuführen in medikamentöser Form könnte notwendig werden.

Sollten Medikamente benötigt werden beträgt die Behandlungsdauer mindestens 3 bis 5 Jahre. Zusätzlich kommt es zum Einsatz einer Basistherapie, bestehend aus Calcium und Vitamin D3.

Einige Medikamente steigern jedoch das Infektrisiko und sollten daher bei bestimmten Patientengruppen vorsichtig eingesetzt werden. Andere, wie z.B. Bisphosphonate beinhalten das Risiko einer Kiefernekrose und sollten daher nach zwei Jahren für einige Zeit abgesetzt werden.

Therapeutische und diagnostische Unterversorgung von Osteoporosepatienten

Abschließend sprach Dr. Biehl über die therapeutische und diagnostische Unterversorgung von Osteoporosepatienten.

Nur bei 35% der Patienten mit inzidenten (nebenbei/zufällig auffallenden) Frakturen werden Knochendichtemessungen zur Abklärung durchgeführt. Nur 22% der 7,8 Millionen Osteoporosepatienten in Deutschland erhalten spezifische Medikamente zur Behandlung der Erkrankung.

Die Mehrheit der Patienten mit osteoporotischen Frakturen werden also niemals auf Osteoporose untersucht und oft sind der Orthopäde und der Unfallchirurg die ersten und einzigen Ärzte, die diese Patienten behandeln.

 

Nach einer kurzen Fragerunde bedankte sich Rüdiger Volke bei den Referenten für die anschaulichen und interessanten Beiträge und der Nachmittag klang beim üblichen „Babbeltreff“ in der Klinikcafeteria aus.

Der nächste Stammtisch wird am 11. September zum Thema „Transplantation-vom Spender zum Empfänger“ stattfinden.

Andrea Dorzweiler, 14.06.18

43. Arzt-Patienten-TX-Stammtisch der BDO-Regionalgruppe Mittelhessen

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