Berufstätigkeit nach Transplantation: Wissenswertes auf einen Blick
Wer einen Porsche in der Garage stehen hat, der möchte ihn auch fahren. So ähnlich geht es vielen Transplantierten mit ihrem neuen Organ. Mit einem Mal ist so vieles möglich, was vorher unmöglich war: Reisen, sportliche Betätigung, aktive Familienzeit – und (wieder) im Beruf durchstarten. Doch wie in allen Lebensbereichen gibt es auch im Job für Transplantierte einiges zu beachten. Wir geben einen Überblick:
ALEXANDER KALES
Ärztliche Empfehlungen zur Berufstätigkeit
Grundsätzlich ermutigen die Transplantationszentren ihre transplantierten Patient:innen, bei stabiler gesundheitlicher Situation eine Berufstätigkeit (wieder) aufzunehmen. Das gilt laut Günther F. Hillebrand, ehemals Nierenspezialist am Klinikum München-Großhadern, „[s]ogar wenn Sie durch eine betriebliche Umsetzung oder durch eine Umschulung finanzielle Einbußen in Kauf nehmen müssen.“ [1] Denn: Transplantierte, die berufstätig sind, sind zufriedener. Sind glücklicher. Sind wertemäßig stabiler, weil ihnen ein geregelter Arbeitstag auch Festigkeit für die übrigen Stunden gibt. Faustregel: Wer morgens für den Job aufstehen muss, kann die Medikamenteneinnahme nicht verschlafen. Im wahrsten und im übertragenen Sinne.
Eine Studie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) mit Lungentransplantierten hat diese Annahmen schon vor fast zehn Jahren mit Fakten untermauert. Darin bilanzieren die Autoren um Prof. Dr. Axel Haverich, ehemaliger Leiter der HTTG-Chirurgie, und Prof. Dr. Jens Gottlieb, Leiter Lungentransplantation und Bronchoskopie in der Klinik für Pneumologie und Infektiologie: „Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass eine Erwerbstätigkeit die Lebensqualität verbessert und die Gesundheit nicht gefährdet. Daher sollte Patienten, die eine Lungentransplantation erhalten haben, geraten werden, wenn möglich an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren.“ [2]
Wiedereinstieg in den Beruf
Doch wie gelingt der erstmalige oder erneute Start in den Job? Zumeist werden bereits in der Anschluss-Reha wichtige Weichen gestellt. Ärzt:innen und Sozialcoaches beraten gemeinsam mit ihren jeweiligen Patient:innen, ob
- ein Antrag auf vollständige Erwerbsunfähigkeit gestellt wird, sich also an die Reha eine Rente mit eventueller kleiner Nebentätigkeit anschließt,
- eine Rente wegen teilweiser Erwerbminderung angestrebt wird, die Verdienstausfälle bei einer Teilzeitbeschäftigung kompensieren soll, oder
- eine Vollzeitbeschäftigung in Frage kommt.
Wenn eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Vollzeit oder Teilzeit aufgenommen wird, schließt sich an die Reha meist eine Stufenweise Wiedereingliederung (Hamburger Modell) an: Der/die Transplantierte arbeitet an fünf Tagen in der Woche, die tägliche Arbeitszeit wird von anfangs mindestens zwei Stunden auf den angestrebten Umfang erhöht. Die Krankenkasse zahlt in dieser Zeit weiterhin Krankengeld entsprechend dem Entgeltniveau oder eine andere Entgeltersatzleistung.
„Verbotene“ Berufe für Transplantierte
Nicht in jedem Job ist ein Weiter so einfach möglich. Zentrums-übergreifend gibt es einen Konsens darüber, welche Berufe für Transplantierte ungeeignet sind. Tabu sind für die meisten Transplantierten:
- schwere körperliche Tätigkeiten oder solchen mit hohem Verletzungsrisiko (zum Beispiel: Möbelpacker: in, Mitarbeiter:in im Sicherheitsdienst)
- der Umgang mit Abfällen, Schadstoffen, Rauch oder Staub (zum Beispiel: Tischler:in, aktiver Dienst in der Feuerwehr, Lackierer:in, Müllwerker:in)
- hohe Stress-Belastung, unregelmäßige Arbeitszeiten und unregelmäßiger Schlafrhythmus (zum Beispiel: Produktionshelfer:in in Wechselschicht, Springer:in in der Gastronomie)
- dauerhaftes Arbeiten im Freien, auch wegen der Sonneneinstrahlung (zum Beispiel: Gerüstbauer:in, Berg:führerin)
- Jobs in keimbelasteten Umgebungen (zum Beispiel: Bademeister:in, Gärtner:in, Landwirt:in)
- Berufe, die durch (engen) Kontakt zu bestimmten Risiko- Personengruppen ein potentiell erhöhtes Infektionsrisiko haben (zum Beispiel: Erzieher:in wegen des Kontakts zu Kindern, Krankenpfleger:in)
Grundsätzlich empfehlen wir Transplantierten, die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit mit ihrem Transplantationszentrum zu besprechen.
Der Arbeitsplatz von Transplantierten
Am Arbeitsplatz gelten für Transplantierte die gleichen Regeln wie in den eigenen vier Wänden: Er sollte sauber und staubfrei sein, der Betrieb von Klimaanlagen und Luftbefeuchtern ist zu vermeiden; einen Zimmerwechsel sollte in Erwägung ziehen, wer sich mit besonders gründaumigen Kolleg:innen einen Raum teilt, der mehr Urwald als Arbeitsplatz ist. Ansonsten gelten einzelne Pflanzen mit etwas Abstand nicht als besonders riskant. In Großraumbüros sowie bei Tätigkeiten mit Kund:innenkontakt kann es ratsam sein, in der Infekt-Saison einen Mundschutz zu tragen. Generell empfiehlt es sich, am Arbeitsplatz sowohl Desinfektionsmittel als auch die wichtigsten Medikamente, insbesondere die Immunsuppressiva, in einer kleinen Menge vorrätig zu haben. So können diese auch dann pünktlich eingenommen werden, wenn doch einmal kurzfristig Überstunden notwendig sind.
Arbeitsbezogene Rechte für Transplantierte
Transplantierte sind als Menschen mit Behinderungen gesetzlich vor Diskriminierung am Arbeitsplatz geschützt. Arbeitgeber sind verpflichtet, angemessene Anpassungen und Unterstützung zu bieten, um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt arbeiten können. In einigen Fällen gewähren sie Betroffenen zusätzliche Urlaubstage, um ihren besonderen Bedürfnissen und Herausforderungen gerecht zu werden. Bei einer Kündigung genießen sie zudem besonderen Kündigungsschutz, das Arbeitsverhältnis kann seitens des Arbeitgebers nur mit Zustimmung des Integrationsamtes beendet werden.
Versuch eines Fazits
Job oder nicht Job – das ist somit eine Frage, die Transplantierte für sich beantworten müssen; in Abstimmung mit ihren behandelnden Ärzt:innen ebenso wie ihren Angehörigen. Als kleine Unterstützung für die Entscheidungsfindung haben wir Tipps von einem erfahrenen Job-Coach eingeholt, aber vor allem auch mehrere Interviews mit berufstätigen Transplantierten geführt. Worin sich alle einig sind: Im Gegensatz zur Klinik-Welt mit ihren Biopsien und Bronchoskopien, Blutwerten und Röntgenbildern ist Arbeit vor allem eines – Normalität.
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Alexander Kales ist BDO-Mitglied, in Vollzeit berufstätig und ehrenamtlich Redakteur der transplantation aktuell.
Quellen:
[1] Nierentransplantation nachgefragt – 50 Fragen und 50 Antworten, Thieme Verlag, 2005
[2] Employment after Lung Transplantation – A Single- Center Cross-Sectional Study, erschienen u.a. in Deutsches Ärzteblatt (Internationale Ausgabe), 2015;
über die wörtlich zitierten Quellen hinaus wurden Ratgeber- Hefte verschiedener Transplantationszentren in Deutschland gesichtet und als Informationsquellen für diesen Artikel verwendet.