Neue Serie: Rehakliniken für Organtransplantierte und Wartepatient:innen – vorgestellt aus Patient:innen-Sicht

Folge 1; Schön Klinik Berchtesgadener Land, Schönau am Königssee

von Burkhard Tapp, Sasbach am Kaiserstuhl

Im Juli bis Anfang August war ich fast fünf Wochen in der Rehaklinik Berchtesgadener Land in Schönau am Königssee. Das war mein erster Aufenthalt in der pneumologischen Fachklinik, obwohl ich bereits 2002 doppelseitig lungentransplantiert wurde.

Nach meiner Anmeldung hatte ich eine Führung bzw. Einweisung in die für mich als Lungentransplantierten wesentlichen Bereiche der Klinik. Das für mich vorgesehene Zimmer wurde jedoch gerade renoviert. Zimmer werden in regelmäßigen Abständen überholt.

Am Ankunftstag hatte ich eine ausführliche, etwa einstündige ärztliche Aufnahme und eine etwa halbstündige pflegerische Aufnahme, Im Rahmen der ärztlichen Aufnahme wurden die von mir benannten Ziele für den Aufenthalt schriftlich festgehalten. Auch wurde abgeklärt, welche Bewegungsanwendungen möglich sind. So kam aufgrund von mehreren Rippenbrüchen in Folge eines Radunfalls Nordic Walking nicht infrage.

Während der pflegerischen Aufnahme erhielt ich ein Marken-Händedesinfektionsmittel (150 ml) und ein digitales Fieberthermometer. Beides durfte ich am Ende meines Aufenthaltes mit nach Hause nehmen, ebenso die von mir angebrochenen Medikamenten-Packungen. Zu den Aufnahmeuntersuchungen gehörte auch ein Ruhe-EKG. Sollten weitere Untersuchungen erforderlich sein, die nicht in der Rehaklinik selbst durchgeführt werden können, so wird u.U. ein Termin außerhalb vereinbart und der Transport organisiert. So fand bei mir eine Knochendichtemessung in einer Radiologischen Praxis in Bad Reichenhall statt. Die Visiten erfolgen zweimal wöchentlich im Patient:innenzimmer.

6-Minuten-Gehtest und Medizinischen Trainings-Therapie

Vor der Einführung in die individuell ausgewählten und zugeschnittenen Übungen (in der Regel eine Mischung aus Ausdauer- und Krafttraining) in der Medizinischen Trainings-Therapie (MTT) findet der 6-Minuten-Gehtest statt. Dieser wird direkt von einem/einer Sporttherapeut:in begleitet, um Sauerstoffsättigung und die Herzfrequenz per Pulsoximeter laufend zu kontrollieren und die Werte zu notieren.

Das Ergebnis – also die in sechs Minuten zurückgelegte Strecke – wird als Grundlage der Belastungen in der MTT genommen, in dem der Wert auf 70 % heruntergerechnet wird. Die MTT steht mindestens fünfmal in der Woche auf dem Behandlungsplan. Vor der Entlassung findet erneut ein 6-Minuten-Gehtest statt, der ebenfalls wie oben beschrieben von einem/einer Sporttherapeut:in begleitet wird.

 

Besonderer Rahmen für Lungentransplantierte (Essensraum, Untersuchungen, Hygiene)

Für diese Patientengruppe gibt es einen eigenen Essensraum, der auch mehr oder weniger als Aufenthaltsraum genutzt werden kann. Auch wenn sich in dem Raum ein Bücherregal und eine Musikanlage stehen, ist der Raum nicht gerade gemütlich. Das liegt u.a. daran, dass der Raum mitten im Haus liegt und keine Außenfenster hat und das natürliche Licht fehlt. Gleichzeitig können 12 Patient:innen in diesem Raum essen. Da meistens mehr Lungentransplantierte zur selben Zeit stationär sind, müssen die Mahlzeiten in Schichten eingenommen werden. Teilweise sind bis zu 36 Lungentransplantierte gleichzeitig im Haus. Während meines Aufenthaltes waren bis zu 25.

Lungentransplantierte aufgrund von Mukoviszidose müssen wegen der möglichen Keimbelastung ihr Essen auf dem Zimmer einnehmen. Einige Transplantierte essen aber auch aus anderen Gründen in ihrem Zimmer. Auf jedem Tisch liegt eine Packung mit großen Hygienetücher, die für die Reinigung des Essplatzes genutzt werden sollen. Im Essraum kann man sich 0,7 l-Flasche Mineralwasser mit mehr oder weniger Kohlensäure nehmen. Bei der Auswahl des Mineralwassers wird auf niedrige Nitrat- und Nitritwerte, sowie gute Calcium- und Magnesiumwerte geachtet.

Die Blutabnahme für die Laborkontrolle erfolgt montags am Morgen (bei neuen Patient:innen in der Regel am Tag nach der Anreise). Die Blutspiegelkontrolle für Cyclosporin (Sandimmun Optoral® bzw. Prograf®) wird zusätzlich bei Bedarf am Donnerstagmorgen durchgeführt. Da das Labor dafür in Salzburg ist, liegen die Ergebniss am gleichen Nachmitttag vor, so dass kurzfristig eine Dosisanpassung erfolgen kann. Bei der Blutabnahme wird auch das aktuelle Gewicht abgefragt und Fieber gemessen. Lungenfunktionstest und Blutgasanalyse werden regelmäßig montags und donnerstags morgens durchgeführt. Dann erfolgt auch das Messen der Körpertemperatur, von Blutdruck und Puls, Sauerstoffsättigung und Körpergewicht. Ansonsten soll die Körpertemperatur jeden Morgen selbst gemessen werden.

Zimmer

Die Zimmer für Lungentransplantierte befinden sich im Erdgeschoß in zwei Flügeln der Klinik. Sie sind mit einem eigenen Bad mit Dusche und WC, Fernseher, Schreibtisch und kleinem Tisch und mehreren Stühlen, sowie Garderobe und Spiegel ausgestattet. Teilweise haben die Zimmer ein Krankenhausbett. Die Zimmer werden täglich gereinigt.

Anwendungen

Die Behandlungen finden sowohl als Einzelanwendung, als auch in der Gruppe statt. Die Bandbreite reicht z.B. von 20 Minuten Wärmepackung, Atemphysiotherapie, Bindegewebsmassage und Lymphdrainage (bei Bedarf). Atemgymnastik Lungentransplantation (auch als leichte Gruppe angeboten), Atem Qi Gong, Handfunktion, Fit für Dahoim und u.U. Nordic Walking werden in der Gruppe durchgeführt.

Fit für Dahoim ist eine Mischung aus Vortrag und praktischen Übungen. Die Übungen vermitteln Techniken, die dazu beitragen sollen den Alltag Zuhause, z.B. im Haushalt, zu bewältigen. In der Regel sind die Physiotherapeut:innen sehr erfahren. Sie berücksichtigen im Rahmen ihrer Möglichkeiten das aktuelle Befinden bei der Behandlung. Ansonsten geht es im Wesentlichen um die eigene aktive Mobilisation der Patient:innen.

Positiv fällt auf, dass sehr viel erklärt wird, warum welche Übung bzw. Behandlung erfolgt und wie sie wirkt bzw. was sie bewirkt. Nach jeder Behandlung machen die Physiotherapeut:innen dazu Notizen im PC direkt am Behandlungsplatz. So ist die Kontinuität der Behandlung im Krankheits- oder Urlaubsfall gewährleistet. Empfehlung: unbedingt die Erfahrung und Kompetenzen der Physiotherapeut:innen nutzen, d.h. selbst viel fragen.

Handouts der Physiotherapieabteilung

Für 50 Cent gibt es eine sechsseitige Anleitung für Übungen aus der Veranstaltung Fit für Dahoim mit Abbildungen. Sie umfassen die Themen Wasch-, Anzieh-, Haushalts-, Mobilitäts- und Gang-/Treppentraining. Auf meine Bitte hin hat meine behandelnde Atemphysiotherapeutin die Übungen markiert, die für mich besonders sinnvoll sind und mit Bemerkungen versehen, auf was ich bei den Übungen achten sollte. Außerdem gibt es für 1 Euro ein „Heft“ zu Atemwegserkrankungen als Patienten-Information mit Übungsprogramm. Darin werden auch Grundlagen der Anatomie und Physiologie dargestellt. Auch zu Übungen aus der Qi Gong-Gruppe gibt es ein zweiseitiges Blatt mit Abbildungen für Übungen im Sitzen.

Vorträge und Beratung

Während des Aufenthaltes gibt es ein breites Vortragsprogramm. Dazu gehört eine etwa dreiteilige Vortragsreihe zur Lungentransplantation (Listung, Wartezeit, Transplantation und Leben mit der neuen Lunge). Vorträge zur Sturzprophylaxe und zu sozialrechtlichen Fragen. Auch ein Austausch zwischen Wartepatient:innen und bereits Lungentransplantierten wird von einer Psychologin geleitet. Zudem gibt es einen Vortrag zur knochengesunden Ernährung und Ernährung nach Lungentransplantation. Die Termine erscheinen im individuellen Behandlungsplan.

Am Stationszimmer hängt ein weiterer Vortragsplan mit Themen, die nicht automatisch im Behandlungsplan stehen und regelmäßig wieder angeboten werden. Wenn die Termine nicht mit Anwendungen kollidieren, kann man auch an diesen Vorträgen teilnehmen. Daneben gibt es mindestens einen Beratungstermin zur keimarmen Ernährung als Einzeltermin. Hier wurde bei mir aufgrund von Laborwerten, dass ich für den Muskelaufbau zu wenig Eiweiß im Blut habe. Daher wurde dies während meiner Reha über Eiweißpulver ergänzt.

„Geheimtipp“: Atmen durch Singen

Zu den möglichen physiotherapeutischen Maßnahmen gehört auch „Atmen durch Singen“, das von Steffi Sterzinger am Dienstagmittag angeboten wird. Es ist manchmal eine Verbindung von Singen und Bewegung in der Gruppe. Zu Beginn wird jeder gemeinsam mit einem Lied namentlich begrüßt. Frau Sterzinger stellt Lieder aus so ziemlich allen Kontinenten mit eigener Gitarrenbegleitung vor. Manche sind mitreißend, andere etwas ruhiger. Meistens sind die Texte einfach zu lernen.

Wer jetzt meint, sie / er könne nicht singen, den kann ich beruhigen. Frau Sterzingers Botschaft diesbezüglich lautet: „Falsche Töne sind Variationen.“ Ich selbst bin nun wirklich kein „begnadeter“ Sänger. Aber darauf kommt es hier wirklich nicht an. Es macht einfach Spaß in der Gruppe zu singen. Zudem versprüht Frau Sterzinger mit der Liedauswahl, ihrer Stimme und ihrem Enthusiasmus so viel mitreißende gute Laune, dass man das nicht verpassen sollte. Das Ganze ist leider nach einer Stunde zu Ende. Diese Zeit ist im nu verflogen. Also unbedingt nachfragen, wenn es nicht im Therapieplan steht!

Fazit und Anregung

Mein Aufenthalt in der Rehaklinik Berchtesgadener Land in Schönau am Königssee hat meine Therapieziele aufgrund der Verlängerung auf fast fünf Wochen im Wesentlichen erreicht. Erst am Anfang der dritten Woche konnte ich erste Fortschritte bei der körperlichen Belastungsfähigkeit feststellen. Insbesondere die physiotherapeutischen Behandlungen und die MTT haben dazu den überwiegenden Teil beigetragen. So war ich am Ende der dritten Woche in der Lage zum Königssee zu laufen und am Ende des Aufenthaltes sowohl den Hin- als auch den Rückweg zu Fuß zurückzulegen.

Begeistert bin ich von den Behandlungen in der Physiotherapieabteilung. Auch die Gespräche mit den Ärzt:innen habe ich als offen, konstruktiv und hilfreich empfunden. Die Pflegekräfte und Labormitarbeiterinnen sind freundlich und hilfsbereit. Problematisch finde ich die mangelnde Umsetzung der Empfehlungen (in Vorträgen und die schriftlich gefassten) der Ernährungsberatung bei den Mahlzeiten im Essraum der Lungentransplantierten. Positiv war das täglich bereitgestellte frische Obst.

Vermisst habe ich die Möglichkeit vor der Lymphdrainage Wassertreten durchführen zu können. Da das Schwimmbad nicht mehr genutzt wird, könnte stattdessen ein Wassertretbecken eingerichtet werden. Wenn es nach mir geht, war ich nicht das letzte Mal in dieser Rehaklinik. Aufgrund der besonderen Kompetenzen, den speziellen Rahmenbedingungen für Lungentransplantierte finde ich die höheren Kosten im Vergleich zu anderen Rehakliniken gerechtfertigt.

Indikationen:

Lungenerkrankungen, vor und nach Lungentransplantation, Post-Covid (einschließlich ambulanter mehr als 2.000 Patient:innen), Psychosomatik

Eckdaten zur Klinik:

Reha für Lungentransplantierte bietet die Klinik seit 1998. In der zweiten Jahreshälfte 2023 wird der/die 3.000. Lungentransplantierte/r erwartet. Aktuell hat die Klinik 107 Betten für pneulogische Patient:innen (einschließlich Lungentransplantationspatient:innen; Stand: August 2023).

Gut zu wissen:

  • Kostenloses WLAN im Zimmer
  • Ein Inhalationsgerät kann kostenlos ausgeliehen werden.
  • Vier Internetarbeitsplätze in der Halle kostenlos nutzbar
  • Im Aufenthaltsraum kann ein Kaffeeautomat genutzt werden, Teebeutel vorhanden
  • Frisches Obst und kleine Thunfischdosen und Fisch mit Tomatensoße in kleinen Dosen
  • Im Keller sind jeweils zwei Waschmaschinen und Wäschetrockner mit an der Anmeldung zu kaufenden Münzen zu nutzen
  • Für Handwäsche sollte ein Stöpsel für das Waschbecken mitgebracht werden
  • Mit Schwerbehindertenausweis kann kostenlos eine Rundfahrt auf dem Königssee gebucht werden. Dazu muss der Ausweis an der Kasse vorgezeigt werden. Dann gibt es die kostenlose Fahrkarte.
  • Bushaltestellen befinden sich unterhalb der Klinik. Es verkehren zwei Ringlinien (842, 843) von bzw. nach Berchtesgaden und vom   zum Königssee.
  • 12 Minuten Fußweg unterhalb der Rehaklinik befindet sich Jolly Pizzeria. Die Pizzen gibt es in drei Größen: die kleine misst 33 cm Durchmesser, die Größte 50 cm. Die Preise sind in Ordnung: www.pizzeria-schoeinau.de

Schön Klinik Berchtesgadener Land

Malterhöh 1
83471 Schönau am Königssee
Tel. (08652) 93-0
https://www.schoen-klinik.de/berchtesgadener-land