Kostenübernahme für CoronaAntikörpertiterTests bei Organtransplantierten

Brief des BDO e.V. an den Gesundheitsminister Lauterbach

Sehr geehrter Herr Minister Prof. Lauterbach,

leider mussten wir in den vergangenen Wochen immer wieder feststellen, dass in weiten Teilen der Politik ausschließlich Vulnerable in Einrichtungen bezüglich von
Infektionsschutzmaßnahmen berücksichtigt werden.

Daher möchten wir Ihnen für Ihre beharrliche Position bei der Aufhebung der Isolationspflicht von mit SARS-CoV-2-Infizierten danken. Auch Ihre Mahnung vor den
weiterhin bestehenden Gefahren durch eine COVID-19-Erkrankung (u.a. Long-Covid) und
die Aufforderung weiterhin in Innenräumen eine Maske zu tragen, empfinden wir als
hilfreich, auch wenn wir schon länger beobachten müssen, dass das solidarische Verhalten
gegenüber Vulnerablen im öffentlichen Raum deutlich nachgelassen hat. Mit diesem Brief möchten wir auf ein nach unserem Kenntnisstand bisher ungelöstes Problem aufmerksam machen und Sie bitten sich für eine angemessene Lösung einzusetzen.

Aus unserer Sicht bedarf es einer Regelung zur Kostenübernahme von Tests zur Bestimmung der Antikörperkonzentration für Organtransplantierte nach Impfungen gegen COVID-19 und nach Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus durch die Krankenkassen. Argumente für die Berechtigung unseres Anliegens:

– Keine oder keine ausreichende Antikörperkonzentration nach Impfungen gegen COVID-19:
Organtransplantierte gehören in Bezug auf eine Coronavirusinfektion zum vulnerablen
Personenkreis mit einem hohen Risiko für eine schweren und u.U. tödlichen Verlauf bei einer Infektion mit SARS-CoV-2. Das hat sich im Prinzip durch die Möglichkeit der Impfungen gegen COVID-19 und die Auffrischimpfungen für viele Transplantierte nicht geändert, da diese aufgrund der lebenslang notwendigen medikamentösen Unterdrückung des Immunsystems keine oder keine ausreichende Antikörperkonzentration erzielen.

– Durchbruchsinfektionen bei Organtransplantierten: Eine Studie des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf bei vollständig geimpften (mindestens drei Impfungen) Lebertransplantierten zeigte einerseits, dass 14,5 % (98) der in die Studie eingeschlossenen Patient:innen eine Durchbruchsinfektion erlitten und 37,5 % zeigten Post-Covid-Symptome unabhängig von der Schwere Ihrer Erkrankung (https://www.mdpi.com/1999-4915/15/2/297). Aufgrund der geringeren Immunsuppression bei Lebertransplantierten ist davon auszugehen, dass das Risiko für Durchbruchsinfektionen bei anderen Organtransplantationen noch höher ist und damit auch die absolute Zahl der Organtransplantierten mit Post-Covid-Symptomen ebenfalls höher ausfällt.

– Der Wegfall fast aller Infektionsschutzmaßnahmen bedingt noch mehr Eigenschutz:
Aufgrund der Aufhebung der Isolationspflicht für Infizierte, der Aufhebung der Maskenpflicht im ÖPNV und im Fernverkehr sowie für Mitarbeiter:innen u.a. in Arztpraxen sind praktisch alle Maßnahmen zum Schutz von Vulnerablen außerhalb von Einrichtungen aufgehoben. Damit liegt die Verantwortung für den Selbstschutz allein bei den Vulnerablen selbst.
Um dieser Verantwortung jedoch nachkommen zu können, ist es unerlässlich, dass bei
Organtransplantierten immer wieder die Antikörpertiter bestimmt werden. Dies ist notwendig etwa vier bis nach acht Wochen nach jeder Impfung gegen COVID-19 und einige Zeit nach einer durchgemachten Infektion. Vom Ergebnis der Antikörpertests hängen einerseits die weiteren medizinischen Maßnahmen und andererseits die ganz persönlichen Verhaltensmaßnahmen im Alltag und im Umgang mit Kontakten innerhalb und außerhalb der Familie, sowie dem Berufsleben und im Freizeitverhalten ab.

– Kurze Zeit bis Antikörpertiter unterhalb der Schwelle zur Verhinderung von
Durchbruchsinfektionen absinkt: Selbst wenn vorübergehend ausreichend Antikörper nach Auffrischimpfungen vorhanden sein sollten, genügen diese nur für eine kurze Zeit, um eine Durchbruchsinfektion zu verhindern. So kennen wir Beispiele aus dem Mitgliederkreis bei denen nach der Grundimmunisierung und zwei Auffrischimpfungen nach spätestens fünf Monaten die Titer zu niedrig waren. Sogar nach einer Infektion (und damit einer fünften Konfrontation des Immunsystems mit dem Virus) waren die Antikörpertiter bereits nach drei Monaten nicht mehr ausreichend, um eine Durchbruchsinfektion zu verhindern.

– Sehr begrenzte Optionen der medikamentösen Prophylaxe bzw. Behandlung bei
Organtransplantierten: Bei zu niedrigen Antikörpertitern sind die medizinischen Optionen bei Organtransplantierten sehr begrenzt, da teilweise Medikamente wie Paxlovid aufgrund der Interaktion mit der lebensnotwendigen Immunsuppression nicht eingesetzt werden können bzw. Antikörper bzw. Antikörper-Kombinationen wie Evusheld zur Prophylaxe und Behandlung nicht mehr gegen die aktuellen Virusvarianten ausreichend wirksam sind.

– Finanzielle Belastungen durch Dauermedikation, die nicht von der GKV übernommen
werden: Organtransplantierte haben dauerhaft – je nach transplantiertem Organ und Nebenwirkungen der Immunsuppressiva – eine Reihe von Medikamenten einzunehmen, die nicht von der GKV übernommen werden, obwohl sie Teil der verordneten Therapie sind. So kann jährlich ein Betrag von mehreren hundert Euro anfallen. Darin sind die Zuzahlungen nicht enthalten. Darüber hinaus benötigen Organtransplantierte zum Eigenschutz FFP2-Masken und Händedesinfektionsmittel, deren Kosten ebenfalls nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Im Zusammenhang mit der Antikörpertiter-Tests nach den Coronaschutz-Impfungen und Infektionen haben viele Organtransplantierte mehr als 200 Euro bezahlen müssen. Das ist für viele gar nicht oder zumindest nicht dauerhaft leistbar. Das bedeutet aber, dass die finanziellen Möglichkeiten Organtransplantierter vielfach ausschlaggebend für den eigenen Gesundheitsschutz sind.

– Steigende Infektionszahlen: Nach den auf der Seite des RKI veröffentlichten Zahlen steigt seit mehr als 14 Tagen die bundesweite 7-Tage-Inzidenz kontinuierlich an. Damit gewinnt der Eigenschutz für Organtransplantierte gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2 zusätzlich an Bedeutung.

Sehr geehrter Herr Minister, wir hoffen, dass Sie aufgrund der hier aufgeführten Gründe unser Anliegen unterstützen und eine Regelung der Kostenübernahme für Antikörpertiter-Tests bei Organtransplantierten veranlassen. Dazu empfehlen wir eine unbürokratische Regelung, bei der eine Beantragung der Kostenübernahme nicht erforderlich ist, sondern der den Krankenkassen bekannte Status als Organtransplantierte/r für die Kostenübernahme ausreicht. Andernfalls befürchten wir, dass viele Betroffene an der Antragsstellung scheitern könnten bzw. aufgrund verschiedenster Belastungen nicht dazu in der Lage sind.
Bitte berücksichtigen Sie bei Ihrer Entscheidung auch unsere Ausführungen zur Sicherstellung der gleichberechtigten Teilhabe, der körperlichen Unversehrtheit und dem Schutz des Lebens Organtransplantierter, sowie der Prävention in unserem Schreiben zu Schnelltests für Organtransplantierte vom 8. Februar an Sie (s. S. 4/5). Gerne stehen wir Ihnen für Fragen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Sandra Zumpfe                   Burkhard Tapp
Vorstandsvorsitzende        Presse- und Öffentlichkeitsarbeit