Digital-Update: Patientenakte und Rezepte werden elektronisch
Jörg Schieman – Fachbereichsleiter Digitalisierung.
Zu den wesentlichen Themen der Digitalisierung im Gesundheitswesen gehören aus Sicht der Versicherten sicher die elektronische Patientenakte (ePA) und das E-Rezept. Nun sind beide Themen schon seit Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten, im Gespräch beziehungsweise in der Planung und Vorbereitung. So richtig weit sind wir in Deutschland aber bislang noch nicht vorangekommen. Auch in diesem Jahr wurden Themen nach hinten verschoben und neue Planungen, ja sogar neue Konzepte für künftige Versionen der Anwendungen veröffentlicht. Aktuelle Einführungspläne reichen einige Jahre in die Zukunft, beim E-Rezept beispielsweise schon bis 2026 und darüber hinaus. Inhaltliche Änderungen gibt es beispielsweise bei der ePA, die nach einem Beschluss der Bundesregierung von einem Opt-in Prinzip zu einem Opt-out Prinzip umgestellt werden soll. Grund genug also, einmal auf den Stand der Digitalisierung im Gesundheitswesen und die aktuellen Pläne bezüglich dieser beiden Lösungen aus der Perspektive des Nutzenden, von Versicherten und Patient:innen, zu schauen.
Elektronische Patientenakte
Die elektronische Patientenakte (kurz ePA) soll künftig idealerweise alle medizinischen Dokumente eines Versicherten enthalten. So kann der Versicherte von seinen Ärzt:innen bereits heute verlangen, die Daten seiner aktuellen(!) Behandlung in die ePA hochzuladen bzw. dort zu speichern. Damit stehen diese Informationen dann potenziell anderen Ärzt:innen oder medizinischem Personal zur Behandlung des Versicherten zur Verfügung. Potenziell, weil nur der Versicherte bestimmt (und aktiv in der ePA-App regeln muss), wer in seine ePA schauen und was er sehen darf. Wenn der Versicherte in dieser Hinsicht nicht aktiv wird, dann kann kein medizinisches Personal in die ePA sehen!
Die elektronische Patientenakte wurde bereits im Januar 2021 eingeführt, das heißt, zu diesem Zeitpunkt wurde sie von den gesetzlichen Krankenkassen ihren jeweiligen Versicherten kostenlos – zur freiwilligen Nutzung – zur Verfügung gestellt. Seit Mitte dieses Jahres führen übrigens auch die privaten Krankenversicherungen elektronische Patientenakten, die an die Telematikinfrastruktur (das sichere Netz des deutschen Gesundheitswesens) angebunden sind, ein. Aber Achtung: diese ePA von privaten Krankenversicherungen bitte nicht verwechseln mit den elektronischen Gesundheitsakten, die sie bis dato ihren Versicherten anboten. Letztere sind nicht an die zum Datenaustausch notwendige Telematikinfrastruktur angebunden. Die Anzahl der eingerichteten elektronischen Patientenakten stieg im Lauf eines Jahres von rund 470.000 im Mai 2022 auf gerade einmal 680.000 im Mai 2023. Das sind zwar rund 50% Steigerung (auf einem niedrigen Niveau). Aber damit haben erst rund 1% der gesetzlich Versicherten, die eine ePA einrichten und verwenden könnten, diese auch wirklich. Ganz aktuell sind es im Oktober 2023 etwas über 800.000 eingerichtete ePA – wenn das Wachstum der Einrichtung von rund 550 ePA pro Tag auf diesem Niveau bleibt, so dauert es rechnerisch 300 bis 400 Jahre, bis alle Versicherte eine ePA haben.
Deshalb hat die Bundesregierung beschlossen das Vorgehen für die ePA-Verteilung zu ändern. Statt dem bisherigen „opt-in“ (jeder, der möchte, kann sich eine ePA anlegen und muss dazu aktiv werden) soll demnächst „opt-out“ gelten (jeder bekommt eine ePA, aber wenn er möchte, kann er dies verweigern und muss dafür aktiv werden). Nach der Absichtserklärung im Koalitionsvertrag der sogenannten Ampel-Regierung wurde am 8.9.2023 der entsprechende Gesetzesentwurf aus dem Bundesministerium für Gesundheit vorgestellt, den es jetzt noch mit den anderen Ressorts abzustimmen und das Ergebnis anschließend als Gesetz zu beschließen gilt. Als Einführungstermin ist übrigens bereits jetzt der 15. Januar 2025 geplant. Aber keine Angst, noch müssen Sie nicht aktiv werden! Sie werden im Lauf des nächsten Jahres – nach dem Beschluss des Gesetzes – von Ihrer Krankenversicherung über die Änderungen (und auch Widerspruchsmöglichkeiten) informiert.
E-Rezept (elektronisches Rezept)
Das elektronische Rezept, E-Rezept, hat eine lange Geschichte. Erste praktische Tests gab es bereits kurz nach der Jahrtausendwende. Zuletzt hat Jens Spahn dann 2019 mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) das E-Rezept wieder aufgegriffen. Geplante Termine für die bundesweite Einführung Anfang 2021 und 2022 wurden aber verschoben. Auch gab es einzelne Pilotregionen, die sich aber zwischenzeitlich aus dem Pilotbetrieb teilweise wieder zurückgezogen haben. Doch nun ist es so weit. Apotheken sind bereits seit einiger Zeit verpflichtet, E-Rezepte entgegenzunehmen und zu verarbeiten, das heißt, einzulösen. Das Hindernis war bislang die Ausstellung der E-Rezepte von medizinischen Einrichtungen. Aber seit Anfang 2024 ist eben dies nun Pflicht für niedergelassene Ärzt:innen und Krankenhäuser. E-Rezepte werden bislang im Wesentlichen für apothekenpflichtige Medikamente und gesetzlich Versicherte ausgestellt. Sie können über die gematik-App („Das E-Rezept für Deutschland“) von Versicherten empfangen und eingelöst werden oder auch einen Papierausdruck des E-Rezeptes kann der / die Versicherte vom medizinischen Personal bekommen, wenn er das lieber möchte.
Noch einfacher geht die Einlösung von E-Rezepten mit der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) für gesetzlich Versicherte. Dafür lässt man sich in der Praxis ein E-Rezept ausstellen und kann mit der eGK direkt in die Apotheke gehen. Dort wird die eGK in ein Kartenterminal gesteckt und der Apotheker hat Zugriff auf alle offenen E-Rezepte (also alle noch nicht eingelösten). Da der Apotheker alle E-Rezepte sieht, muss dann im Dialog geklärt werden, welches E-Rezept eingelöst werden soll (wenn man nicht alle offenen Verschreibungen einlösen möchte). Das E-Rezept kann auch für einen Privatversicherten erfolgreich ausgestellt und eingelöst werden. Das bislang bestehende Problem, dass Privatversicherte keine elektronische Gesundheitskarte eGK (nach der Norm des GKV) haben, um sich in einer (Zahn-)ärztlichen Praxis eindeutig ausweisen zu können, wurde dafür durch einen sogenannten Online Check-in in der Praxis überwunden.
Diese Funktion wird den Privatversicherten zukünftig über eine App ihrer Krankenversicherung auf dem Smartphone angeboten, mit der sie in den Praxen einchecken können und den Praxen dann ihre Krankenversicherungsnummer sowie weitere Stammdaten des Versicherten über die GesundheitsID gesendet werden. Ein sehr ähnliches Verfahren zum Datenaustausch, wie es heute bei gesetzlich Versicherten durch die Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte erfolgt. So können mittlerweile prinzipiell schon rosa Rezepte (apothekenpflichtige Medikamente für gesetzlich Versicherte), grüne Rezepte (Empfehlungen der Mediziner:innen) und blaue Rezepte (für Privatversicherte) als E-Rezept verschrieben und eingelöst werden. Die Durchdringung des deutschen Gesundheitswesens durch das E-Rezeptes kann also mit der Verpflichtung der Ärzt:innen zur Ausstellung seit Anfang des Jahres 2024 beginnen.