Die BAG TxO fordert Einhaltung der Richtlinien zur Wartelistenführung und Organverteilung

Steigerung der Organspendezahlen notwendig

Die BAG TxO zeigt sich fassungslos und erschüttert über den Bericht
der Prüfungs- und Überwachungskommission (PÜK) zum Lebertransplantationsprogramm am Universitätsklinikum Essen und über die Pressemitteilung des Klinikums vom 16. 6. 2017. Daher sehen wir uns veranlasst einige grundsätzliche Anmerkungen aus der Sicht von Transplantationsbetroffenen vorzunehmen:

  1. Die Bereitschaft zur Organspende und ihre Realisierung ist die Voraussetzung für Organtransplantationen. Dazu bedarf es klarer Regeln, z.B. in Form von Richtlinien, der Transparenz sowohl in der Organspendeorganisation wie auch hinsichtlich der Organverteilung. Die Basis der Organspende und damit auch der Organtransplantation
    ist das Vertrauen sowohl der Bevölkerung als auch der Ärzte und Pflegekräften in den Entnahmekrankenhäusern in die Praxis der Organspende und Organtransplantation.
  2. An der Organspende wie auch an einer Organtransplantation sind eine Vielzahl von Institutionen bzw. Klinikabteilungen beteiligt. Es handelt sich in beiden Fällen um eine Gemeinschaftsaufgabe, die ohne Unterstützung der Bevölkerung und die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die durch die Politik vorgegeben werden, nicht erfolgreich sein kann. Missachtungen und Verstöße gegen bestehende Gesetze und Richtlinien wirken demotivierend Demotivierend sowohl im System selbst in Bezug auf am Prozess der Organspende und Organtransplantation beteiligte Ärzte und Pflegekräfte, aber auch innerhalb der Bevölkerung hinsichtlich der Auseinandersetzung mit der Frage der Organspende und der Dokumentation der eigenen Entscheidung dazu. Gleichzeitig werden auch alle Bemühungen zur Aufklärung zur Organspende nicht nur aus dem Bereich der Selbsthilfe zu Nichte gemacht.
  3. Auf dem Hintergrund der Manipulationsvorwürfe bei einigen Lebertransplantationsprogrammen in Deutschland hat die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG), als Fachgesellschaft für Transplantationsmedizin, ihren Transplantationskodex 2013 aktualisiert. Danach haben sich alle Mitglieder der DTG – darunter auch die Verantwortlichen der Transplantationsprogramme – u.a. dazu verpflichtet die Richtlinien zur Wartelistenführung und Organverteilung einzuhalten.
  4. Die Mitgliedsverbände der BAG TxO haben alle Patienten auf der Warteliste und Ihre Angehörigen im Blick. Daher fordern Sie alle in der Transplantationsmedizin Tätigen dazu auf, dass sie ebenfalls die Gesamtheit aller Patienten und nicht nur die der eigenen Klinik bei Ihrem Handeln berücksichtigen. Verantwortliches Handeln bedeutet nach unserem Verständnis die unbedingte Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien.
  5. Der Gesetzgeber hat die Bundesärztekammer mit der Erstellung der Richtlinien zur Wartelistenführung und Organverteilung beauftragt. Diese werden nach eingehender Prüfung durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) genehmigt und können erst danach in Kraft treten. Die Richtlinienerarbeitung erfolgt in einer organspezifischen Arbeitsgruppe, in der Vertreter verschiedener Transplantationszentren, als auch der Deutschen Stiftung Organtransplantation, der Internationalen Stiftung Eurotransplant und ein/e Patientenvertreter/in mitarbeiten. Bei Bedarf werden weitere Experten hinzugezogen. Bei einer komplexen Überarbeitung einer Richtlinie wird der Prozess kontinuierlich durch das BMG kritisch begleitet.
  6. Über die Fachgesellschaften haben die Transplantationsprogramme die Möglichkeit die Inhalte und Regelungen der Richtlinien mitzubestimmen. Der Weg über die Ständige Kommission Organtransplantation (StäKO) steht ihnen offen. Ebenso kann der jeweiligen Entwurf einer Richtlinie nach der ersten Lesung in der StäKO für vier Wochen durch die Fachöffentlichkeit kommentieren werden. Damit ist es mögliche Änderungen und Ergänzungen anzuregen und Einfluss auf konkrete Formulierungen in der neuen Richtlinie zunehmen.
  7. In Zweifelsfällen steht es den Kliniken frei das jeweilige Arbeitsgruppen-Konsil der StäKO um eine Auslegung der Richtlinien im konkreten Einzelfall zu bitten. Diese können u.U. auch bei der nächsten Revision der jeweiligen Richtlinie berücksichtigt werden.
  8. Sollten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von einzelnen Regelungen oder an der gesamten Richtlinie bestehen, steht es jedem frei das Bundesverfassungsgericht anzurufen.
  9. Die Aufgabe der PÜK ist die Feststellung, ob es bei der Wartelistenführung und Organvermittlung Manipulationen bzw. Verstöße gegen die Richtlinien nach § 16 TPG innerhalb eines bestimmten Zeitraumes gegeben hat. 2013 wurden die Handlungskompetenzen der PÜK durch die Änderung im Transplantationsgesetz (TPG) gestärkt.

Der Rückgang der Organspendezahlen kann nur gestoppt werden, wenn das verlorene Vertrauen in das System der Organspende und -transplantation wieder gewonnen werden kann. Daher fordert die BAG TxO:

  1. die bedingungslose Einhaltung aller Richtlinien und Gesetze in der Organspende und Organtransplantation,
  2. die umfassende rechtliche Aufarbeitung und Bewertung der durch die PÜK festgestellten Richtlinienverstöße. Wird dabei festgestellt, dass die Richtlinien in einzelnen Formulierungen einen zu großen Interpretationsrahmen bieten, so dass die Intentionen im juristischen Sinne außeracht gelassen werden können, müssen diese klarer gefasst werden.

Aus unserer Sicht kann nur so Chancengleichheit aller Patienten auf der Warteliste und Vertrauen in die Praxis der Organtransplantation wiederhergestellt werden.
Zusätzlich sieht die BAG TxO die Erhöhung der Organspendezahlen als lebensnotwendig an. Daher setzen wir uns für die Umsetzung des Transplantationsgesetzes hinsichtlich der Qualifikation und Freistellung von Transplantationsbeauftragten (TxBs) in den Entnahme-krankenhäusern auf Länderebene ein. So sollen die Rahmenbedingungen für die Arbeit der TxBs und die flächendeckende Identifizierung von postmortalen Organspendern geschaffen werden.

Bockenem, Mainz, Witten, den 30. Juni 2017