Triage-Urteil verunsichert Transplantierte – BDO fordert bundeseinheitliche Schutzstandards

Der Bundesverband der Organtransplantierten e. V. (BDO) warnt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Triage-Regelung vor einer gefährlichen Schutzlücke für schwer erkrankte, wartelisten- und immunsupprimierte Menschen.
Die Entscheidung, die gesetzlichen Vorgaben des Bundes aus dem Jahr 2022 wegen fehlender Zuständigkeit für nichtig zu erklären, hat erhebliche Auswirkungen auf das Vertrauen vulnerabler Patient:innengruppen in ein diskriminierungsfreies Gesundheitssystem.

Die damalige Regelung hatte nach den Erfahrungen der Corona-Pandemie festgeschrieben, dass in einer Triage-Situation ausschließlich die aktuelle Überlebenswahrscheinlichkeit über die Behandlungspriorität entscheidet – und nicht Alter, Behinderung oder eine Vorerkrankung. Für viele Transplantierte war dies ein klares Signal: Ihr Leben zählt in Extremsituationen ebenso wie jedes andere.

Auch Menschen, die auf ein Spenderorgan warten, leben mit der ständigen Sorge, ob sie im Ernstfall gleiche Chancen auf intensivmedizinische Versorgung haben. Gerade sie dürfen in einer Triage-Situation nicht als „zu krank“ oder „zu risikoreich“ aussortiert werden – ihre Behandlung ist Ausdruck von Solidarität und Menschenwürde.

„Transplantierte und wartende Patient:innen brauchen die Gewissheit, dass im Notfall medizinische Entscheidungen nicht durch Vorurteile oder strukturelle Benachteiligung beeinflusst werden“, erklärt der BDO-Vorstand. „Wenn nun jedes Bundesland eigene Regelungen trifft, droht ein Flickenteppich unterschiedlicher Standards – und damit neue Unsicherheit für genau die Menschen, die besonderen Schutz brauchen.“

Der BDO betont: Das Urteil bedeutet keine inhaltliche Aufhebung des Diskriminierungsschutzes. Das Gericht hat ausdrücklich nur über die Zuständigkeit entschieden – nicht darüber, ob die damaligen Kriterien sachlich richtig waren. Damit bleibt die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates bestehen, Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung oder Transplantation vor Benachteiligung in Triage-Situationen zu schützen.

Zugleich verweist der Verband darauf, dass auch die ärztliche Berufsfreiheit dort Grenzen hat, wo sie mit dem Schutz von Leben und Würde vulnerabler Patient:innen kollidiert. Ärzt:innen brauchen Rechtssicherheit, aber sie dürfen nicht allein gelassen werden mit Entscheidungen, die gesamtgesellschaftlich getragen werden müssen.

Der BDO fordert daher, dass Bund und Länder gemeinsam bundeseinheitliche Schutzstandards entwickeln, die sich an den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts von 2021 orientieren und den Diskriminierungsschutz klar festschreiben.
Ebenso wichtig ist die Einbeziehung betroffener Gruppen in die Gesetzgebungsprozesse: Menschen mit Transplantation, mit chronischer Erkrankung oder Behinderung müssen mitsprechen, wenn Regeln über ihren Schutz in Notlagen entstehen.

„Das Vertrauen in unser Gesundheitssystem darf nicht vom Wohnort abhängen“, so der BDO abschließend. „Wir brauchen bundesweit verlässliche, menschenrechtskonforme Standards – damit im Ernstfall für alle dasselbe gilt: gleiche Würde, gleiche Chancen, gleicher Schutz.“

Hintergrund

Am 4. November 2025 hat das Bundesverfassungsgericht (Az. 1 BvR 2284/23, 1 BvR 2285/23) entschieden, dass die Triage-Regelungen im Infektionsschutzgesetz (§ 5c IfSG) wegen fehlender Bundeskompetenz nichtig sind. Das Gericht hat damit nicht den Diskriminierungsschutz selbst aufgehoben, sondern klargestellt, dass künftig die Länder für entsprechende Regelungen zuständig sind.
Bereits im Jahr 2021 hatte das Gericht den Gesetzgeber verpflichtet, Vorkehrungen gegen Diskriminierung von Menschen mit Behinderung bei der Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen zu treffen.

Zur Pressemitteilung des Bundesverfassungsgericht 

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